Insel-Geschichten & Legenden:

Sagenhaft: die Geschichte vom "El Familiar"


Haben sie schon einmal von den "Familàrs" gehört ? Nein ?

Aber gesehen haben sie sie bestimmt schon ... Sie begegnen ihnen recht oft im Stadtzentrum von Santa Eulalia del Rio, z.B. auf dem Paseo s'Alamera, auf dem Kanonenplatz (Plaza de cañón) und wenn sie ganz ganz grosses Glück haben - unter der alten Brücke (Puente Vijeo) am Ortseingang.

Die Familiàrs sind sagenumwobene Schutzgeister aus Urzeiten, die heute noch an einigen Plätzen auf der Insel wohnen und die wegen ihrer besonderen Arbeitskraft, mit der sie in wenigen Stunden die härtesten und schwierigsten Arbeiten der Bauern erledigen können, sehr beliebt sind.

Andererseits lassen sie alles stehen und liegen, hören sofort auf zu arbeiten, wenn ihre Gier nach Essen nicht ausreichend befriedigt wird. Die alten Geschichten sagen, dass ihnen daher Arbeiten aufgetragen werden sollten, die unmöglich zu ende zu bringen sind.

Es ist aber nicht einfach, einen Familiár zu treffen. Die Insel-Bewohner glauben, das man ihn nur unter der Brücke in Santa Eulalia del Rio bei Tagesanbruch nach der Johannis-Nacht vom 23. auf auf den 24. Juni  finden kann und zwar in dem Moment, in dem die Sonne ein paar Augenblicke lang tanzt. Andere Legenden erzählen, dass in der Johannis-Nacht um Punkt zwölf Uhr eine geheimnisvolle Blume wächst. Wem es gelingt, ein Blatt von der Blüte abzuzupfen, es in eine schwarze Flasche zu stecken und sie zu verschiessen, bevor es verwelkt, besitzt einen Familiàr.

Man bewahre ihn in einer undurchsichtigen, nach Möglichkeit schwarzen Flasche auf, in die er gegen seinen Wille mit Hilfe eines Gebetes, das nur sehr sehr wenige Insulaner kennen, eingeschlossen ist. Unsichtbar in der Flasche verborgen, kann er dort Hunderte von Jahren verbringen, bis sie entkorkt wird und dem Bauer dann bei seiner täglichen Arbeit äussert hilfreich zur Seite steht.

Der Familiár kommt dann mit einer grossen grauen Rauchschwade heraus und erschreckt jedermann mit seinem gruseligen Aussehen und den fürchterlichen Gliedmassen. Der riesige, gierige Mund mit den enormen Zähnen wiederholt, immer wieder die beiden einzigen Worte, die er kennt "feina o menjar" ! (Arbeit oder Essen !).

Tatsächlich lässt sich dieses Fabelwesen nur zum Schweigen bringen, wenn man ihm eines von beiden gibt, wobei seine Gefrässigkeitkeit allerdings unstillbar ist. In wenigen Minuten kann er alles Vieh, die Lasttiere und das Federvieh aus dem Stall verschlingen, sämtliche Vorräte in der Speisekammer und ist immer noch so hungrig wie zuvor.

Dieser schrecklichen Vorstellung kann man nur entgehen, indem man ihm eine besonders schwierige Arbeit gibt. Der Einfallsreichtum der Inselbewohner hat dafür ein paar aussergewöhnliche Lösungen gefunden. Zum Beispiel kann man einen Furz lassen und dem Familiàr sagen, er soll ihn wieder einfangen und anstreichen. Man kann ihm aber auch ein Schamhaar geben, das er so lange waschen soll, bis es weiss und glatt ist.

Einige der alten Ibizencos erzählen, dass sie Bauernhäuser kennen, die von einem Familiàr gebaut wurden. Bauernhäuser vielleicht nicht, aber ein grosser Teil der hässlichen Wohn- & Hotelbauten auf der Insel sehen so aus, als seien sie in einer einzigen Nacht von einem gierigen Familiàr errichtet worden ...


 

Der katalanische Künstler Andreu Moreno hat nicht nur die originellen Familiàrs

sondern auch die wunderschönen Podencos erschaffen.

www.andreumoreno.com

 

El Familiar - Schutzgeist von Ibiza

... die beiden mögen sich !

Meine Freundin Inka und ein Familiàr

auf dem Paseo S'Alamera

in Santa Eulalia del Rio ...


Der Legende nach fanden Einwohner von Es Pou des Lleó vor vielen vielen Jahren im gleichnamigen Brunnen eine geheimnisvolle, fest verschlossene

Flasche. Zwar hatten die Nachbarn schon oft von den Familiàrs gehört, aber nie geglaubt, dass sie einem tatsächlich begegen würden.

Vorsichtig nahmen sie die Flasche und kaum hatten sie den Korken entfernt, sprang ein Familiàr heraus und forderte lautstark "feinar o mejar" ! (Arbeit oder Essen !).

Die Bauern nahmen ihn mit nach Hause und trugen ihm auf zu fegen, zu mähen und zu pflügen. Dann befahlen sie ihm, schwarze Wolle weiss zu waschen, um die ganze Insel zu laufen, alle Haare einer Katze und alle Sterne am Himmel zu zählen und die Sonne auszupusten wie eine Kerze. Doch was die Bauern auch taten, sie wurden den Familiàr nicht wieder los.

Schliesslich brachten sie ihn zurück zum Brunnen, wo sie ihn gefunden hatten und befahlen ihm: "Dieser Brunnen liegt nah am Meer und wird immer mit Meereswasser gefüllt - das verwandelt Du dann in Süss-wasser und immer so weiter und so weiter.

Die Bauern konnten zufrieden zurück an ihre Arbeit gehen - es heisst, dass der kleine Kobold bis heute dort unten schuftet, sodass dieser Brunnen direkt am Meer immer noch Süsswasser spendet ...

Foto: Juan Pérez Escribano



Quellennachweis: "Diccionario de Secretos de Ibiza" © 1982 Mariano Planells Cardona

Gracias an meine Freundin Inka für diese und weitere tollen Fotos, die ich schon mehrfach verwenden durfte ...

Handmade in Ibiza OHNE KI aber mit Herz & Hirn

Update im Juni 2024 / 2006